Etwas Mechanik
Um besser zu verstehen, was Vor- und Nachteile von Liegerädern (und vom Nordic Trike) sind, wollen wir uns etwas mit der Fahradphysik beschäftigen. Dazu reicht schon Schulphysik, und außerdem benutzen wir hier kaum Formeln. Wer es genauer mit Formeln haben will, und auf dem Computer selbst berechnen, der kann sich die Tabellenkalkulationsprogramme unten dazu downloaden.
Fahrerleistung (Manpower) in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit
Wenn jemand auf dem Fahrrad fährt, muss sein Körper eine bestimmte Leistung (in Watt) aufbringen. Fährt man schneller, muss mehr Leistung aufgebracht werden. Kommt man mit dem Luftholen nicht mehr hinterher, ist etwa die maximale Manpower erreicht. Die ist abhängig vom Fahrer und sportlichen Trainingszustand. Typische maximale Manpower sind:
- Kinder und Senioren: bis 150 W,
- Erwachsene (untrainiert): bis 250 W,
- Sportliche Fahrer: bis 350 W
- Radprofies: bis zu 450 W
Wenn der Fahrer diese Manpower in die Pedale tritt, überwindet er mehrere Arten von Fahrwiderständen:
- Fahrwiderstand durch Rollreibung: hängt vom Gesamtgewicht und Rollwiderstand der Reifen ab (Luftdruck, Reifenprofil, Raddurchmesser, wenig abhängig von der Anzahl der Räder).
- Luftwiderstand: hängt von Querschnittsfläche des Fahrrads mit Fahrer ab sowie von der Fahrgeschwindigkeit und der Gegenwindgeschwindigkeit. Außerdem hängt der Luftwiderstand von der Form der Karosse ab (Velomobile haben deshalb oft eine ausgeklügelte zigarrenförmige Form mit sehr kleinem Luftwiderstand).
- Steigung: fährt man bergauf, muss die gesamte Masse von Fahrer und Fahrzeug bergauf befördert werden. Dazu ist gegenüber der Fahrt in der Ebene weitere Manpower erforderlich.
Wir betrachten nun drei verschiedene Fahrzeuge:
a) Normales Fahrrad: Fahrer 85kg, Fahrrad 15kg, --> Gewicht 100 kg. Hoher Luftwiderstand durch aufrecht sitzenden Fahrer, Querschnittsfläche von Fahrer etwa 0.5 m2.
b) Fahrrad mit Anhänger: es kommen noch 10 kg für den Anhänger und 15 kg für den Inhalt vom Hänger dazu (Gesamtgewicht 125 kg).
c) Liegerad (z.B. auch Nordic Trike): Fahrer 85 kg, Liegerad 40 kg, Gepäck 15 kg, Luftwiderstand je nach Karosserieform deutlich kleiner als beim Fahrrad. (Gesamtgewicht 140 kg).
1. Fahrt in der Ebene:
Bis zu einer Geschwindigkeit von etwa 20 km/h fahren alle drei Fahrzeuge etwa gleich und könnten von Kindern oder Senioren noch angetrieben werden. Erst über 25 km/h macht sich der kleinere Luftwiderstand des Liegerads (wie unseres Nordic Trike) bemerkbar. Gute Velomobile brauchen über 25 km/h noch weniger Manpower.
Das Liegerad ist bei 20 km/h bei gleicher Manpower um etwa 20% langsamer als ein Fahrrad (liegt am höheren Rollwiderstand durch mehr Gewicht).
Manpower für eine bestimmte Fahrgeschwindigkeit in der Ebene
2. Fahrt an einer Steigung mit nur 3%:
Geht es eine Steigung von z.B. nur 3% bergauf, kommt unser Leistungssportler mit 350 W noch auf etwa 25 km/h und ein Senior mit 100 W fährt um die 10 km/h. Der Luftwiderstand spielt keine Rolle, das um 15-20% leichtere Fahrrad fährt um diesen Betrag schneller.
Manpower für eine bestimmte Geschwindigkeit bei 3% Steigung
Wer mehr hierzu erkunden will, sollte sich das zugehörige Tabellenkalkulationsprogramm (Power(Geschwindigkeit).ods) downloaden für eigene Rechnungen. Zusammengefasst zeigt uns dieser kleine Exkurs bzgl. des Nordic Trikes folgendes:
- Das Nordic Trike als Alltagsfahrzeug bis 25 km/h muss nicht besonders strömungsgünstig sein, auch einfache Karosserieformen (oder nur eine Frontkanzel) reichen aus.
- Bei Gruppenfahrten von Nordic Trike und Fahrrädern ist das Trike schon in der Ebene aufgrund des höheren Gewichts bei gleicher Manpower um 15 bis 25% langsamer oder der Fahrer muss mehr Manpower einsetzen. Bei Bergauffahrten wird das Trike noch etwas langsamer und benötigt mehr Untersetzung für langsame Fahrten bis runter zu ca. 3 km/h.
Das Liegerad ist also vom Fahrverhalten vergleichbar zu einem Fahrrad mit Hänger.
Drehmoment und Leistung beim Nordic Trike
Das Nordic Trike verfügt über Pedalantrieb wie jedes Liegerad. Aufgrund der nahezu waagerechten Tretposition der Beine wird aber etwas weniger Tretkraft auf die Pedale gebracht, als das beim Fahrrad der Fall ist. Bei Fahrrad mit nach unten gerichteter Tretposition vermehrt das Beingewicht die Tretkraft des runter gehenden Beins, wenn das andere Bein gezielt hochgezogen wird. Wird nichts hochgezogen, kompensieren sich beide Beingewichte.
Beim Liegerad wird ein Teil des Beins auch bei jeder Umdrehung hoch und runter bewegt, wovon nur ein gewisser Teil wiederum die Tretkraft vermehren kann, wenn das andere Bein zurückgezogen wird. Beim Liegerad tritt also aufgrund der anderen Tretposition eine gewisse Verlustleistung je Umdrehung auf. Wir betrachten hier nur den Alltagsfall, d.h. Pedalantrieb ohne Klickpedale.
Die Spezialität des Nordic Trikes ist der zusätzlich einsetzbare Handantrieb (Details siehe Handantrieb). Er koppelt sich über einen Freilauf auf die Kette nur ein, wenn die Arme an den Handantriebsgriffen vor und zurück bewegt werden. Eine Pedalumdrehung entspricht einer Vor- und Zurückbewegung der Handgriffe. Die Handkräfte sind zwar um etliches kleiner als die Beinkräfte auf den Pedalen, allerdings erzeugen immer zwei Arme gleichzeitig Antrieb und das außerdem bei jeder Vor- und Zurückbewegung.
Mit ein paar Annahmen können Drehmoment und Antriebspower des "Biomotors" Mensch grob abgeschätzt werden:
- mittlere Fußkraft auf Pedal (ein Bein): 150 N
- mittlere Handkraft (ein Arm) : 25 N
- geschätztes hoch gehobenes Beingewicht (ein Bein): 8 kg
- geschätztes hoch gehobenes Armgewicht (ein Arm): 3 kg,
- geschätzte Abnahmekurve der Kräfte ab Trittfrequenzen von 45 U/min bis zu auf Null bei 120 U/min.
Mit diesen Annahmen kann das Drehmoment beim Anfahren durch den Handantrieb von 25 Nm auf 30 Nm gesteigert werden. Bei typischen Fahrfrequenzen von 60 - 90 U/min ist der Unterschied dann etwas kleiner.
Die nächsten zwei Abbildungen zeigen die sich ergebenden Leistungskennlinien des "Biomotors" Mensch mit und ohne Handantrieb.
geschätztes Drehmoment mit und ohne Handantrieb in Abhängigkeit von der Trittfrequenz
geschätzte Leistungen ohne Handantrieb
geschätzte Leistungen mit Handantrieb
Mit Handantrieb erhöht sich auch ein bisschen die Verlustleistung durch die zusätzlichen Armbewegungen.
Fährt ein Fahrer konstant bei ca. 75 U/min und setzt den Handantrieb ein, erhöht sich die zum Antrieb zur Verfügung stehende maximale Antriebsleistung von ca. 130 auf ca. 150 W. Die vom Fahrer aufzubringende maximale Manpower steigt von 150 auf 180 W und das Nordic Trike fährt schneller dank mehr Power.
Will der Fahrer die eingesetzte Manpower bei Einsatz Handantrieb nicht erhöhen, muss er folgendes machen:
- Ohne Handantrieb bei z.B. 75 U/min und Manpower 150 W fahren,
- mit Handantrieb bei etwa 50 U/min und 150 W Manpower bei gleicher Geschwindigkeit fahren, was mit Hochschalten um ein bis zwei Gänge erreicht wird.
Aus den kleinen Abschätzungen können folgende Schlussfolgerungen gezogen werden:
Die nicht zum Antrieb wirksame Leistung kann beim Liegerad bis zu 10% der Manpower erreichen. Mit Handantrieb kommen noch 1-2% dazu.
Mit dem Einsatz des Handantriebs steigen Drehmoment und Antriebspower typischerweise um 10 bis 30%, das Nordic Trike fährt schneller und der Organismus des Fahrers muss um 10-30% mehr Manpower liefen.
Will der Fahrer beim Einsatz von Handantrieb bei gleicher Manpower bleiben, und auch bei gleicher Geschwindigkeit, so ist Hochschalten um ein bis zwei Gänge günstig.
Dieses Verhalten konnte im praktischen Fahrbetrieb bestätigt werden.